Wasserleitung des Eupalinos
Überblick
Ich habe den Bericht über den Tunnel des Eupalinos in zwei Teile getrennt. Der erste Teil berichtet über den Tunnel, eines der gewaltigsten Bauwerke der Antike, der andere Teil über die eigentliche Wasserleitung im nördlichen Bereich des Berges Kastri. Wie war es möglich, das Wasser von der Quelle bis zum Tunnelanfang zu leiten, ohne das im Fall einer Belagerung der Feind die Wasserzuführung unterbinden konnte? In den ersten Jahren (1981 - 1984) meiner Besuche auf der Insel Samos hat mich diese Frage schon sehr beschäftigt. Samioten, die man nach dem nördlichen Ende des Tunnels fragte, gaben allesamt keine übereinstimmenden Antworten. Es hieß, das nördliche Ende sei verschüttet oder nie gefunden worden. In einem Reiseführer tauchte dann erstmals für mich eine etwas genauere Beschreibung und Lokalisierung der Wasserleitung auf, die mir jedoch nichts nützte, was ich bei einer Wanderung zu diesem Punkt feststellen musste....!
Lange Jahre habe ich die Suche nach der Quelle und der Wasserleitung zurückgestellt, aber im Jahr 2014 habe ich dieses Vorhaben duchgeführt. Ein Buch, auf das ich bei meinen Recherchen im Internet gestoßen bin, hat mir bei der Lokalisierung der Quelle geholfen: MITTHEILUNGEN DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTES IN ATHEN, 1884. Dazu muss man vorher wissen, dass die gesamte Anlage der Wasserleitung aus mehreren Teilen besteht. Insgesamt sind es drei Teile, die sich innerhalb und außerhalb der damaligen Stadtmauer befanden, wovon der Eupalinos-Tunnel der Mittelteil dieser Wasserleitung ist, die die Stadt Samos (antike Stadt) mit der Quelle Agiades verband und dabei den rund 230 Meter hohen Stadtmauerberg durchquerte. Der gefährdete Teil dieser Anlage war der erste Teil, der offen geführt werden musste.
Es handelt sich hier um eine 900 Meter lange unterirdische Leitung von der Quelle bis zum Nordabhang des Berges- dem Beginn des eigentlichen Tunnels (Nordende). Dieser Abschnitt lag außerhalb der Stadtmauern. Der zweite Teil war der eigentliche Tunnel, etwa 1036 Meter lang, der 180 Meter unter dem Gipfel den Bergrücken in seiner gesamten Breite durchquert. Der dritte Teil der Anlage war eine etwa 500 Meter lange unterirdische Leitung vom Südabhang des Berges (Südende) bis zu einem Brunnenhaus im Stadtgebiet, wobei die Lokalisierung der Stadt des Polykrates nicht mit der Lage des heutigen Pythagorion (bis 1956 Tigani) zu verwechseln ist.
Dieser Abschnitt - der dritte Teil - lag innerhalb der Stadtmauern. Also musste der erste Teil der Wasserleitung außerhalb der Stadtmauern vor Entdeckung geschützt werden. Dies ist der Grund für den unterirdischen Verlauf der Wasserleitung, nämlich die Befürchtung, dass die Wasserversorgung der Stadt andernfalls bei einer Belagerung leicht von außen gekappt werden könnte. Insgesamt mussten für den Bau des Tunnels etwa 7.000 Kubikmeter gewachsener Fels ausgehoben werden, wovon 5.000 Kubikmeter auf den Tunnel entfielen, der durch soliden Kalksteinfels getrieben werden musste. Mit durchschnittlich 1,80 Meter Höhe und 1,80 Meter Breite hat der Tunnel praktisch einen quadratischen Querschnitt. Als Werkzeuge dienten beim Vortrieb einzig und allein Hammer und Meißel [1].
Die Wiederentdeckung des Tunnels durch den Abt Kyrillos des Klosters Agia Triada im Jahr 1882 geht auf Herodot zurück, der mehrere Jahre auf Samos gelebt hat und der als erster (und einziger) antiker Schriftsteller vom Tunnel berichtete und ihn mit enthusiastischen Worten beschrieb (Historien 3, 60):
„Ich habe mich mit den Samiern etwas länger beschäftigt, weil sie drei der gewaltigsten Bauwerke aller Griechen aufgeführt haben: Sie durchbohrten einen Berg von 150 Klaftern Höhe von unten her und gruben einen Tunnel mit zwei Öffnungen. Seine Länge beträgt sieben Stadien, die Höhe und Breite je acht Fuß. Durch seine ganze Länge ist ein anderer Kanal geführt, zwanzig Ellen tief, drei Fuß breit, durch den das Wasser in Röhren zur Stadt geleitet wird; er kommt aus einer starken Quelle. Baumeister dieses Tunnels war Eupalinos aus Megara, Sohn des Naustrophos. Das ist das eines der drei Bauwerke...“ [1]
Ernst Fabricius (1857 - 1942) war ein deutscher Provinzialrömischer Archäologe und Althistoriker. Er nahm u.a. an den Ausgrabungen in Pergamon und auf Lesbos, Samos und Kreta teil. Er berichtet u.a. auch von der Wasserleitung des Eupalinos:
"Alle Reisenden, die Samos neuerdings besucht haben, sind denn auch bemüht gewesen, den von dem Historiker so sehr bewunderten Bau (er meint den von Herodot beschriebenen Tunnel des Eupalinos) wieder aufzufinden. Ross (er meint Ludwig Ross (1806 - 1859) hat am Südfuss des über der Unterstadt von Samos sich erhebenden Berges vergeblich nach dem Ausgang des Tunnels gesucht. Den Anfang der Leitung, der ihm von der Mehrzahl der Bewohner auch richtig angegeben wurde, konnte Ross der Quarantaine wegen nicht besichtigen. Da sich in der ganzen näheren Umgebung der Stadt Samos nur eine einzige, das ganze Jahr hindurch fließende, starke Quelle befindet und zwar im Norden der Stadt an einer Stelle, wo drei Kapellen des Heiligen Johannes zusammenliegen, und die deshalb im Volksmund Agiades heisst, so konnte darüber kein Zweifel bestehen, wo die Quelle Herodots und damit der Anfang der Leitung zu suchen sei." [2]
Natürlich habe auch ich mir die 3 Kapellen angeschaut, die Kirche mit der Quelle war aber nicht geöffnet. Es ist eine beschauliche Gegend mit mehreren Bauernhöfen, vielen Feldern, auch Weinbau darunter, und der kleine Weiler Agiades, dessen Häuser größtenteils heute leerstehen. Auf dem Weg hierhin sind mir ein paar Hunde begegnet, die aber nicht aggressiv auftraten. Aus der Quelle unter der Kapelle zweigt eine Wasserleitung - modern gefaßt - durch das Mauerwerk des Kirchengebäudes und ergießt sich in ein kleines Becken auf der anderen Straßenseite. Ich versuche nun, die etwa 900 Meter lange unterirdische Wasserleitung von der Quelle in der Kapelle bis zum Anfang des Tunnels am Nordende unterhalb des Berges Kastri ausfindig zu machen.
Ernst Fabricius führt weiter aus:
"Hier am linken Ufer des letzteren Baches (er meint den zuvor beschriebenen Kastrobach), etwa 400 M. nördlich vom Fuss des Kastro liegen nahe beieinander die drei Kapellen des H. Johannes, die Agiades, von einigen Hütten umgeben, und hier befindet sich die starke Quelle, die [....] Herodot schon beschrieben hat, deren Wasser Eupalinos nach der Stadt zu leiten gebabt hat. Die Lösung dieser Aufgabe war auf zwei Wegen möglich. Entweder musste der Berg, der die Stadt von der Quelle trennt, umgangen, oder das Wasser in einem Tunnel durch denselben hindurch geführt werden. Eine Umgehung des Berges wäre nur im Westen möglich gewesen, da der erwähnte Sattel zwischen dem Kastro und dem Berg von Hagia Trias bedeutend höher ist, wie das Niveau der Quelle bei den Agiades. Im Westen war es aber höchst schwierig die Leitung am Berg herumzulegen, da gerade am linken Ufer des Baches in der Schlucht zwischen dem westlichen Ausläufer des Kastro und dem Kataruga senkrechte Felsen sich erheben, durch die der Weg für die Leitung hätte müssen hindurch gebrochen werden, und ausserdem wäre hier im Falle einer Belagerung von Samos die Wasserleitung dem Feinde in hohem Grade exponirt gewesen... [2]."
Das nebenstehende Bild zeigt den ersten Teil der Wasserleitung in unmittelbarer Nähe zur Kapelle. Die obere, gemauerte Abdeckung ist eingebrochen an dieser Stelle und man kann sich gut vorstellen, wie das Wasser der Quelle auf dem Boden des Kanals entlang floß zum Tunnelanfang- eine Strecke von etwa 900 Meter. Ich habe versucht, die gesamte Strecke zu erfassen und dabei auf eine alte Karte vertraut, die den Verlauf genau erfasst. Der Kanal verläuft von der Quelle zuerst in südlicher Richtung, beschreibt nach 110 m einen Bogen nach Osten, verläuft dann wieder südwestlich, weiter sodann etwa 300 m ziemlich geradeaus nach Osten bis zur Flanke des Berges Kastri und von hier südwestlich bis zum Beginn des Tunnels. Normalerweise wäre der direkte Weg zum Tunnelanfang kürzer, aber das verhinderten die geologischen Verhältnisse in diesem Gebiet.
Die zuvor erwähnten 410 m bis zur Flanke des Berges Kastri umgehen einen Graben, der, wenn der Kanal geradeaus verlaufen wäre, die Wasserleitung an die Oberfläche gebracht hätte. Dies konnte nicht im Interesse der Erbauer der Wasserleitung liegen, also führte man den Kanal bis zur Bergflanke, wo der Graben (und damit auch die Absenkung des Geländes) beginnt, und konnte nun in fast gerader Linie die Wasserleitung weiterhin verdeckt bis zum Tunnelbeginn führen. Es ist auch heute nicht ganz einfach, dem Verlauf von der Quelle bis zum Tunnel zu folgen, weil das Terrain im Anfang früher teilweise überbaut war und mittlerweile mit Boden bedeckt ist. Der Kanal besaß in verschiedenen Abständen sogenannte Revisionsöffnungen, die zur Säuberung der Wasserleitung dienten und möglicherweise auch durch diese kleinen Schächte zu Reparaturzwecken genutzt werden konnten.
Deshalb sollte man beim Gang über dieses Gelände sehr vorsichtig sein, denn die Öffnungen (auch die Brüche im Kanal an der Oberfläche) sind nicht gesichert. Die Einmündung der Wasserleitung in den Tunnel habe ich nicht entdeckt, weil die Öffnung des Tunnels im Norden zur Zeit verschlossen ist. Umfangreiche Bauarbeiten finden hier statt, die zur Zeit meines Besuchs im Juli 2014 aber ruhten. Schienen führen aus dem (verschlossenen) Eingang des Tunnels heraus und deuten darauf hin, dass der nördliche Bereich von Schutt befreit wird. Vielleicht wird es bald möglich sein, den Tunnel in seiner gesamten Länge von 1036 m zu durchschreiten oder aber den nördlichen Teil des Bauwerks sichtbar zu machen!
Tunnel des Eupalinos (Eupalinius)
Über 1000 Jahre war die Wasserleitung intakt, doch dazu musste sie regelmäßig gereinigt werden. Aufmerksame Besucher haben das ursprüngliche Tunnelende im Süden längst schon zu Beginn des Treppenaufgangs auf der linken Seite erkannt. Der heutige Einstieg in den Tunnel führt etwas höher über eine sehr schmale und immer enger werdende Treppe hinab. Besucher die da hinunter wollen, müssen hier warten auf zurückkommende, da zwei Personen den engen Zugang nicht passieren können....
Weitere Informationen zum antiken Tunnel des Eupalinos auf der Insel Samos finden Sie hier....!
Kloster Spiliani
Ungefähr einen Kilometer von Pythagorion entfernt auf einem Hügel des Berges Kastri liegt das Kloster der Mutter Gottes-Spiliani. Diese Besichtigung kann mit einem Besuch des Eupalinius-Tunnels und des antiken Theaters kombiniert werden. Für Urlauber, die nicht in Pythagorion wohnen: parken Sie ihren Wagen in Pythagorion und gehen Sie die Hauptstraße in Richtung Samos Stadt leicht bergauf zurück. Nach 450 Metern auf der linken Seite zweigt ein Weg ab, der mit dem Hinweis "Efpalinios Tunnel" beschildert ist. Sie können natürlich auch mit dem Wagen oder Motorrad dorthin kommen....!
Weitere Informationen zum Kloster Spiliani mit Höhlenkapelle in Pythagorion finden Sie hier....!
Quellenhinweis:
1.: Die Informationen zum Bau und der Erforschung des Tunnels basieren auf dem Artikel Tunnel des Eupalinos aus der Wikipedia, zuletzt abgerufen am 10.05.2014!
2.: Ernst Fabricius, Alterthümer auf der Insel Samos (Taf. VII. VIII) - Die Wasserleitung des Eupalinos - Seite 163 - 165 - MITTHEILUNGEN DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTES IN ATHEN - Mit einundzwanzig Tafeln, sieben Beilagen und mehreren Holzschnitten im Text. ATHEN, IN COMMISSION BEI KARL WILBERG 1884