Milet (Miletos) Teil I.
Übersicht
In der weiteren Umgebung des Dilek-Yarimadasi-Büyük-Menderes-Deltasi-Nationalpark finden Sie einige antike Stätten von außerordentlichem Interesse. Es handelt sich hier u.a. um die Stadt Milet (Miletos) mit einem wunderbaren Theater, den Faustinathermen, einem Buleuterium und nicht zuletzt dem Nord- und Südmarkt, dessen repräsentatives Eingangstor von Theodor Wiegand nach Berlin überführt wurde, wo es heute im Pergamonmuseum aufbewahrt wird. Milet (ionisch: Mílētos) war eine antike Stadt an der Westküste Kleinasiens, in der heutigen Türkei. Der heutige moderne Ort heißt Balat und befindet sich etwa 1,5 Kilometer südlich der antiken Stadt Milet.
Milet
Erste archäologische Untersuchungen in Milet führte Olivier Rayet 1873 durch. Ab 1899 begannen dann großangelegte Ausgrabungen im Stadtgebiet des antiken Milet unter der Leitung Theodor Wiegands. Milet liegt etwa 80 Kilometer südlich der heutigen Stadt Izmir (früher Smyrna), bei der Ortschaft Balat in der Provinz Aydın. Die antike Stadt lag auf einer in die Einfahrt des Golf von Milet hineinragenden Landzunge. Der Fluss Mäander (türk.: Büyük Menderes - gemeint ist der Große Mäander), der in diesen Golf mündet und große Mengen Sedimente mit sich führt, sorgte für eine zunehmende Verlandung des Golfes, an dem neben Milet auch noch andere griechische Poleis, wie Magnesia am Mäander, Herakleia am Latmos und Priene lagen.
Seine besondere wirtschaftliche Bedeutung gewann Milet durch die vier als Häfen nutzbaren Buchten rund um die Landzunge. Etwa 16 Kilometer von Milet entfernt befand sich das von der antiken Stadt verwaltete und überregional bedeutende Apollon-Heiligtum von Didyma. Theodor Wiegand konnte durch großräumige Flächengrabungen in Milet wichtige Erkenntnisse zur hellenistischen und römischen Zeit gewinnen. Die Stadt besaß demnach ein orthogonales Straßensystem, dessen Erfinder Hippodamos von Milet gewesen sein soll. Der Verlauf der hellenistischen und späteren Stadtmauern wurde wiedergewonnen. Milet wird auch mindestens dreimal im Neuen Testament erwähnt, eimal im 2. Brief an Timotheus, einmal, als über die Reise von Paulus von Mytilene nach Milet berichtet wird - Apostelgeschichte 20.15 - und ein drittes Mal als Paulus von Milet aus die Ältesten von Ephesos zu sich rufen ließ - Apostegeschichte 20.17.
Lutherbibel Ausgabe 1912
Die Lutherbibel Ausgabe 1912 verzeichnete noch exakt die Insel Trogyllion im Bereich von Samos und der Mykale-Halbinsel:
„Und von da schifften wir und kamen des andern Tages hin gegen Chios; und des folgenden Tages stießen wir an Samos und blieben in Trogyllion; und des nächsten Tages kamen wir gen Milet.“
Die Insel Trogyllion, eigentlich sind es drei, liegt vor der Südwestspitze der Mykale-Halbinsel (türk.: Dilek Peninsula). Die Inseln sind von Pythagorion etwa 6,76 Kilometer Luftlinie entfernt. Sie liegen vor einer Bucht, die sich wahrscheinlich auch als guter Ankerplatz in der Nacht erwiesen hatte. Damals segelte man tagsüber an der Küste entlang und legte abends an Land an. Wahrscheinlich gab es auch hier frisches Wasser.
Geschichte
Nach einer griechischen sagenhaften Überlieferung wurde Milet von Kretern aus Milatos unter Sarpedon gegründet. Strabon zitiert Ephoros von Kyme, einen Historiker des vierten Jahrhunderts v. Chr.: „Milet wurde zuerst von Kretern über dem Meer gegründet […] und von Sarpedon besiedelt, der Einwohner des kretischen Miletos herbrachte und die Stadt nach jenem Miletos benannte. Den Platz hatten zuvor die Leleger besessen.“ [2] Nach einer anderen Version erfolgte die Besiedlung unter dem Kreter Milatos zwei Generationen vor dem Fall Trojas. Die ionische Besiedlung soll gemäß der Legende durch Neleus, den Sohn des Kodros, des letzten Königs von Athen, erfolgt sein. Herodot berichtet, dass die Griechen ohne Frauen kamen. Nachdem sie die Karer erschlagen hatten, heirateten sie deren Töchter. [3]
Es ist bislang nur ein einziger gesicherter neolithischer Siedlungsplatz in der Nähe Milets bekannt (spätes 4. Jahrtausend v. Chr.). Insgesamt spricht man von sieben Siedlungsphasen, die anhand von Keramikfunden nachweisbar sind. Der Überlieferung nach wurde Milet 1053 v. Chr. durch ionische Kolonisten neu gegründet. Vom 8. Jahrhundert v. Chr. an wurde Milet zum bedeutendsten Umschlaghafen für den Handel mit dem östlichen Mittelmeer- und bald auch mit dem Schwarzmeerraum und entwickelte eine eigene beachtliche Industrie, unter anderem für Rohstoffe und Produkte wie zum Beispiel Öl, Wolle und Textilien; besonders bedeutend war dabei die Purpurfärberei. Außerdem ging von Milet und anderen westkleinasiatischen Städten, vor allem Ephesos und Sardes, die Münzprägung aus (früheste Elektronmünzen des sechsten Jahrhunderts v. Chr.), die in der Folge den Tauschhandel ersetzte.
Karte von Kleinasien in der Antike mit römischen Provinzen, 1901, F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas - eingebunden über Wikimedia Commons
Kolonien
Milet stieg zu einer der bedeutendsten griechischen Poleis auf, übte zeitweise die Seeherrschaft über die Ägäis aus und gründete ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. über 80 Kolonien, insbesondere an der Propontis und rund um das Schwarze Meer. Eine frühe und bedeutende Schwarzmeerkolonie war Sinope, die ihrerseits einige Tochterstädte entlang der anatolischen Schwarzmeerküste gründete, darunter Trapezous (das heutige Trabzon). Die nordöstlichste Kolonie Milets war Tanais, östlich des Asowschen Meers. Aber auch in anderen Gegenden entstanden milesische Kolonien, z. B. das ägyptische Naukratis. Nach den Kimmerier-Einfällen im siebten Jahrhundert v. Chr. kam es zu Konflikten der griechischen Städte an der Westküste Kleinasiens mit den benachbarten Reichen der Lyder und später der Perser.
Im sechsten Jahrhundert v. Chr. wurde die Stadt erst vom Lyderkönig Kroisos, dann von den Persern unter Kyros II. unterworfen. Ein von Milet ausgehender Aufstand der ionischen Griechen gegen das Perserreich scheiterte, Milet wurde 494 v. Chr. in Folge der Schlacht von Lade erobert und zerstört. Die Stadt Milet gehörte dem Delisch-Attischen Seebund an, teilweise unter athenischer Besatzung. Im Peloponnesischen Krieg fiel sie 412 v. Chr. von Athen ab, wehrte in der Schlacht von Milet den athenischen Gegenangriff ab und wurde Operationsbasis der spartanischen Flotte. Im vierten Jahrhundert v. Chr. stand die Stadt unter persischer Oberherrschaft. Da Alexander der Große in ihr auf Widerstand traf, sollte sie die führende Rolle in Kleinasien an Ephesos verlieren. [1]
Römische Provinz Asia
Der Hafen der Stadt war Schauplatz eines offensiven und erfolgreichen Vorgehens der kleineren makedonischen Flotte gegen die persische Armada. Nach der Eroberung der Stadt mit modernster Belagerungstechnik löste Alexander zur Überraschung seines Führungsstabes die eigene Flotte auf. Der Wiederaufbau der Stadt wurde begonnen, und in hellenistischer Zeit konnte sich Milet bereits wieder zwischen den verschiedenen Mächten behaupten, die in Kleinasien herrschten. 133 v. Chr. wurde die Stadt zusammen mit dem Königreich Pergamon Teil der römischen Provinz Asia. In der römischen Kaiserzeit blühte die Stadt noch einmal auf, wurde mit zahlreichen Bauten geschmückt, blieb jedoch von untergeordneter Bedeutung, da die Römer Ephesos als Provinzhauptstadt wählten.
Byzantinische Zeit
Ebenfalls in die römische Zeit fallen die Anfänge des Christentums in Milet. Der Apostel Paulus verabschiedete sich dort gemäß der neutestamentlichen Erzählung in Apostelgeschichte 20, 15–38 von den Leitern der Gemeinde in Ephesos auf seiner dritten und letzten Missionsreise, bevor er nach Jerusalem zurückkehrte. Lange glaubte man, dass Milet bereits in der Spätantike einen starken Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen hatte, weil man einen eng gezogenen neuen Mauerring aufgrund einer Bauinschrift des oströmischen Kaisers Justinian I. auf das Jahr 538 datiert hatte. Erst jüngste Forschungen haben dieses Bild revidiert, da es zahlreiche Hinweise darauf gibt, dass Milet noch im späteren sechsten Jahrhundert blühte. Man geht nun davon aus, dass 538 lediglich das alte Markttor renoviert wurde und die zugehörige Inschrift erst später in die byzantinische Mauer integriert wurde, die wohl im späteren siebten Jahrhundert errichtet wurde.
Islamische Zeit
Zu dieser Zeit war Milet in der Tat aufgrund von Seuchen und kriegerischen Ereignissen stark geschrumpft. Die Besiedlung konzentrierte sich nunmehr auf das große Theater, in dessen Zuschauerraum Wohnhäuser errichtet wurden und das gegen feindliche Überfälle befestigt wurde. Zudem erbaute man nun auf der höchsten Stelle des Theaters ein Kastell, worauf der mittelalterliche Name Milets „Palatia“ zurückzuführen ist. Als Bischofssitz kam Milet in dieser Zeit eine überregionale Bedeutung zu. Die Fürsten von Mentesche hatten zeitweise ihren Sitz in Milet. Sie erbauten zahlreiche repräsentative Gebäude. Die hervorragend erhaltene Ilyas-Bey-Moschee aus dem Jahr 1404 ist ein Beispiel. In diese Zeit fällt die endgültige Verlandung des Hafens von Milet durch Sedimente des Mäanders. Bis zu einem schweren Erdbeben 1955 bestand im Ruinengelände ein Dorf namens Balat. Nach dem Erdbeben verlegte man die Siedlung nach Süden, außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes. [1]
Sehenswürdigkeiten in Milet
Einen ersten Überblick über das gesamte Ausgrabungsgelände erhält man vom obersten Rang des Amphitheaters von Milet. Auf den ersten Blick ist das Gelände ziemlich überschaubar. Ohne einen Reiseführer allerdings würde man außer dem gut erhaltenen Theater aus dem 1. Jahrhundert nach Chr. nur wenig erkennen können. Ja- es stimmt - Milet sollte man sich „erarbeiten“. Hierbei hilft Ihnen die Beschilderung der einzelnen Bauwerke durch die Theodor Wiegand Gesellschaft. Die Hinweise sind durch Zeichnungen.....
Weitere Informationen zu den Sehenswürdigkeiten der antiken Stadt Milet (Miletos) an der Ägäisküste der Türkei finden Sie hier....!
Didyma
Neben dem Orakel von Delphi mit den berühmten Weissagungen der Pythia ist die antike Stätte Didyma mit dem Tempel des Apollon die bekannteste unter den griechischen Orakelstätten. Der heutige Name Didim hat seinen Ursprung vom alten Didyma und ist heute eine moderne Stadt mit mehreren Ortsteilen. In den Zeiten des Osmanischen Reiches nannte man die Stadt Hieronda. Nach der Gründung der modernen türkischen Republik nannte man sie Yoranda oder Yoran. Nach der teilweisen Zerstörung durch ein Erdbeben im Jahr 1955.....
Weitere Informationen zum Orakel von Didyma an der Ägäisküste der Türkei finden Sie hier....!
Domatia
Nicht zuletzt will ich einen Ort erwähnen, den ich im Jahr 2002 zum erstenmal besucht habe und dem ich später weitere Besuche abgestattet habe. Die Rede ist von Domatia, einem griechischen Dorf hier an der Küste von Kleinasien. Die Türken nennen den Ort, der sich in einer Höhe von 300 Meter befindet, Eski Doganbey. In diesem Dorf lebten die griechischen Bewohner bis zum Jahr 1923, danach mussten fast alle Griechen Kleinasien und die Region Pontus verlassen. Im Gegenzug kamen viele Türken aus den griechischen Gebieten sowohl vom Festland als auch von den größeren Inseln und zogen....
Weitere Informationen zum ehemaligen griechischen Dorf Domatia (heute Eski Doganbey) am Südabhang des Mykale Gebirges finden Sie hier....!
Quellenhinweis:
1.: Die Informationen zur Geschichte der antiken Stadt Milet an der Westküste Kleinasiens basieren auf dem Artikel Milet (Stand vom 23.12.2018) und stammen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und stehen unter der GNU-Lizenz [34 KB]
für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
2.: Strabon - Geographie 14,1,6.
3.: Herodot - Historien 1,146
Das Foto "Markttor von Milet im Berliner Pergamonmuseum - Autor: Thorsten Hartmann" ist lizensiert unter der Creative Commons Lizenz „Attribution-ShareAlike 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0)“.